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Die Ausschreibungspraxis der Bundesagentur für Arbeit bei Berufsvorbereitenden Maßnahmen

Die vorliegende Analyse ist leider nicht quellenmäßig definiert. Sie ist aber sehr detailliert und aufschlussreich, was die neuen Kriterien für die Vergabe durch die Bundesagentur für Arbeit angeht.

Die im Text angesprochenen Losblätter wurden hier nicht dokumentiert. Die Losblätter sind im Internet auf der Homepage der Bundesagentur für Arbeit auf den Seiten der Landesarbeitsämter dokumentiert.


"Berufsvorbereitende Maßnahmen (BvB)
Vergabe/Ausschreibung 16.04.2004
Ablauf der Angebotsfrist 24.05.04
Ablauf der Zuschlags- und Bindefrist 08.07.04

Eindeutig versucht die Bundesagentur für Arbeit bei der Vergabe bzw. Ausschreibung von BvB, das Ruder herumzureißen bei der Vergabe von SGB III Maßnahmen. Zur Erinnerung: Bei der Vergabe von Trainingsmaßnahmen im Februar 2004 wurden bewährte Träger vor Ort von auswärtigen no-name Anbietern massiv unterboten. Weder Konzept noch Qualität spielten eine Rolle; maßgeblich bei der Vergabe war nur der Preis.

Einige Punkte der „BvBneu“ – wie es bei der BA heißt – verdienen besondere Beachtung:

„Ausschreibung“ vs. „Vergabe“

Gemäß Â§7 Nr. 6 VOL/A sind Justizvollzugsanstalten, Einrichtungen der Jugendhilfe, Aus- und Fortbildungsstätten oder ähnliche Einrichtungen nicht zum Wettbewerb mit gewerblichen Unternehmen zuzulassen. Ziel dieser Ausschlussregelung ist es, eine Verdrängung erwerbswirtschaftlich betriebener Unternehmen durch Einrichtungen, die finanzielle Vorteile durch unmittelbare oder mittelbare öffentliche Förderung genießen, zu verhindern. An die nach §7 Nr.6 VOL/A vom Wettbewerb auszuschließenden Einrichtungen können Aufträge im Rahmen eines wettbewerblichen freihändigen Vergabeverfahrens erteilt werden (§3 Nr. 4 lit.o)Vol/A). In Folge einer Klage eines privaten Trägers vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil 23.12.03), weil diese Bestimmungen bei der Vergabe von Trainingsmaßnahmen* nicht eingehalten wurden,
werden berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen in zwei Segmenten ausgeschrieben:

1. öffentliche Ausschreibung (für „private erwerbswirtschaftlich betriebene“ Unternehmen) und
2. freihändige Vergabe (für „nicht erwerbswirtschaftlich betriebene“ Unternehmen)

Die Verdingungsunterlagen zur öffentlichen Ausschreibungen der BvB, 84 Seiten, sind für beide Vergabemodi identisch: s.a.
http://www.arbeitsagentur.de/content/de_DE/hauptstelle/a-20/importierter_inhalt/pdf/Leistungsbeschreibung_oe.pdf

*Nicht bekannt ist, ob die bereits vergebenen Trainingsmaßnahmen erneut ausgeschrieben werden müssen. Vielleicht nicht, weil sie überwiegend an private Träger vergeben und diese somit nicht benachteiligt wurden?

Ausschreibung in Baden-Württemberg: (s.a. Losblätter)

Öffentliche Ausschreibung: 30 Lose mit insgesamt 1645 Teilnehmerplätzen.

Freihändige Vergabe: 68 Lose mit 3934 Teilnehmerplätzen

Insgesamt: 98 Lose, 5579 Teilnehmerplätze BVB


Insgesamt 70,5 Prozent (in Teilnehmerzahlen) der Maßnahmen werden in Baden-Württemberg freihändig vergeben. Das sind mehr als in allen anderen Bundesländern, in denen sich der Anteil der freihändig zu vergebenden Maßnahmen zwischen 58,4 und 68,5 Prozent bewegt. (s.a. Tabelle 1) Es ist nicht ersichtlich, nach welchen Kriterien die Ausschreibung in „freihändig“ bzw. „öffentlich“ erfolgte. Möglicherweise haben im Vorfeld (es sollten sich im März Interessenten bei den Regionalen Arbeitsagenturen melden) weniger gewerbliche Träger ein Interesse an BvB bekundet?

Interessant ist, dass in Baden-Württemberg nur 13,3 Prozent der Teilnehmerplätze für junge Menschen mit Behinderungen öffentlich ausgeschrieben werden. In anderen Bundesländern, bzw. Gebieten der Regionaleinkaufszentren der Bundesagentur für Arbeit, bewegt sich diese Zahl zwischen 25,9 Prozent in Bayern und 42,1 Prozent in Sachsen-Anhalt, Thüringen/Sachsen. Im Bundesdurchschnitt werden 34,9 Prozent der BvB Maßnahmen für junge Menschen mit Behinderungen öffentlich ausgeschrieben. (s.a. Tabelle 1) Möglicherweise sind weniger privat Träger in Baden-Württemberg berechtigt, Maßnahmen mit Behinderten durchzuführen?

Leistungsbeschreibung

Die Qualitätsstandards zur Durchführung der Maßnahmen scheinen klar definiert zu sein; die Leistungsträger haben eine eindeutige Beweispflicht. Bieter müssen Referenzen und Nachweise zur Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit erbringen. Folgende Angaben werden gefordert:
 Anzahl der fest angestellten Mitarbeiter und regelmäßig eingesetzten Honorarkräfte
 Qualifikation des fest angestellten Personals (Abschlüsse und Berufserfahrung)
 Zielgruppenspezifische Erfahrung
 Geplanter Einsatz des vorhandenen Personals für den Fall der Zuschlagserteilung
 Geplante Personalgewinnung für den Fall der Zuschlagserteilung
 Detaillierte Referenzliste für quantitativ und qualitativ vergleichbare/gleichartige Leistungen der letzten 3 Jahre mit Auftraggeber (Anschrift und Telefonnummer!), Maßnahme/Leistung, Teilnehmerzahl, Durchführungsjahr/ -zeitraum

Der Bieter wird ermahnt, nur für so viele Lose anbieten, wie er bei maximaler Zuschlagserteilung auch tatsächlich leisten kann. Subunternehmer sind ausgeschlossen. Auch nach Zuschlagserteilung ist die Einschaltung von Subunternehmern nicht zulässig. Hiermit dürfte ein „Abräumen von Losen“ durch neueinsteigende Megaanbieter nicht mehr möglich sein.

Der Personalschlüssel liegt zwischen 1:8 und 1:15 und gibt die vorzuhaltende Kapazität von Lehrkräften/Sonderpädagogen, Sozialpädagogen und Ausbildern für die Tätigkeiten in den vier Qualifizierungsebenen und der sozialpädagogischen Begleitung an und berücksichtigt einen zielgruppenspezifischen Betreuungsaufwand. Diese Personalkapazität kann höchstens zu 20% durch Honorarkräfte besetzt werden. Zusätzlich ist bei jeder Bildungsmaßnahme ein Personalschlüssel von 1:28 für die Bildungsbegleitung vorzusehen. Ferner: Sind bei einer Lehrkraft nur die Unterrichtsstunden vertraglich vereinbart, so werden bei der Bemessung des Personalschlüssels max. 25% Vor- und Nachbearbeitungszeit berücksichtigt.

Die Qualifikation des Personals wird klar definiert:
Fachlich qualifiziert, in der Berufsvorbereitung bzw. Ausbildung von Teilnehmern bzw. jungen Menschen mit Behinderung erfahren (insbesondere Sozialpädagogen, Lehrer/Sonderpädagogen, Ausbilder). Formale Abschlüsse sind vorgegeben; Qualifikationsnachweise und Zeugnisse sind zum Nachweis der Fachkunde vorzulegen. Ansonsten behält sich der Auftraggeber die Einsicht in Arbeitsverträge, Zeugnisse, usw. vor. Der Auftragnehmer verfügt für die gesamte Vertragslaufzeit über das geforderte Personal und benennt der zuständigen Agentur für Arbeit das Personal spätestens 4 Wochen vor Maßnahmebeginn.

Der Bieter hat für jede BvB ein Gesamtkonzept zu erstellen, Bietergemeinschaften müssen sich auf ein einheitliches Konzept einigen. Der Umfang des Konzepts soll 70 (!!!) DIN A4 Seiten nicht übersteigen.

Die räumliche und technische Ausstattung ist klar definiert.

Neu ist die Zahlung von Prämien für die Vermittlung von BvB Teilnehmer/innen aus der BvB heraus in eine reguläre Berufsausbildung oder in Arbeit. Je kürzer die Dauer in BvB desto höher die Prämie.

Für jeden Teilnehmer von einer BvB ist ein individueller Qualifizierungsplan zu erstellen und die Leistung des Teilnehmers ist laufend zu überwachen,

Fachpraxis, theoretische Unterweisung sowie sozialpädagogische Hilfen sind gleichermaßen bereit zu stellen, letztere als Ansprechpartner vor Ort, zur Krisenintervention und als Alltagshilfen. Zielsetzung, Aufgaben, Dauer und Wertungskriterien der sozialpädagogische Begleitung sind klar definiert.

Prüfung und Wertung der Angebote (zusammengefasst)

Die Bewertung der Angebote erfolgt seitens des Auftraggebers mittels einer Bewertungsmatrix. Die 41 verschiedenen Bewertungskriterien erhalten jeweils eine unterschiedlich numerische Gewichtung von 1 bis 3 Punkten. Die Wertungskriterien werden in 14 Wertungsbereichen zusammen gefasst und die erreichten Punktzahlen (Leistungspunkte) wiederum gewichtet, in dem sie mit einem vorgegeben Relevanzfaktor multipliziert werden. Die Summe der Leistungspunkte eines Loses ergibt sich aus der Addition der Leistungspunkte aller Maßnahmen innerhalb des Loses dividiert durch die Anzahl der Maßnahmen innerhalb des Loses (Mittelwert).
Das Leistungs-Preis-Verhältnis (Z) wird ermittelt, in dem die Gesamtsumme der Leistungspunkte (L) durch den Preis (P) (Monatskostensatz €) geteilt wird. Im 2. Schritt wird ein Wert als Korridor aus der Kennzahl des führenden Angebotes und einer weiteren Kennzahl, die sich aus der Kennzahl des führenden Angebotes minus 10 % gebildet, ermittelt. In Schritt 3 werden alle Angebote ermittelt, die innerhalb des Kennzahlkorridors liegen. Entscheidungskriteriums innerhalb dieser Gruppe ist die höchste Leistungspunktzahl, die in der Summe in bestimmten, vorgegebenen Wertungsbereichen liegen. Bei identischen Leistungspunktzahlen greift das wirtschaftlichste Angebot.

Fazit:

Die Standards sind bei dieser Ausschreibung klar definiert und hoch angesetzt, entsprechend dem neuen Fachkonzept für BvB. Theoretisch kann kein Billiganbieter mithalten. Die qualifizierten Anbieter werden sehr genau kalkulieren müssen, um sich im o.g. „Korridor“ wieder zu finden. Letztendlich wird die Praxis wird zeigen, ob die Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit erstens, ernst gemeint sind, zweitens, sich als bezahlbar erweisen und drittens ob nicht doch noch irgendwelche Billiganbieter ein Schlupfloch finden. Das Schlupfloch dürfte nur mit der Einschleusung nichtqualifizierten Personals oder der Ausbeutung qualifizierten Personals zu bewerkstelligen sein."


Eine Zusammenstellung aller Ausschreibungen der Bundesagentur für Arbeit können Sie hier als word-Datei herunterladen.



Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 27.04.2004