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Arbeitsmarktpolitik: Große Pläne - wenig Geld

Die aktive Arbeitsmarktpolitik war für Kanzlerin Angela Merkel und Arbeitsminister Franz Müntefering beim Amtsantritt kaum der Rede wert. Nur die Änderungen für die Hartz IV-Empfänger erläuterten sie in ihren Regierungserklärungen ausführlicher. Der Koalitionsvertrag aber belegt,
dass bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik gravierende Veränderungen ins Haus stehen.


So plant die neue Regierung, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung ab 2007 um zwei Prozent zu senken. „Einen Prozentpunkt davon finanziert die Bundesagentur für Arbeit (BA) durch Effizienzgewinne und Effektivitätssteigerung“, heißt es dazu im Koalitionsvertrag. Das entspricht etwa 7 Milliarden Euro. Weil beim Arbeitslosengeld keine Kürzungen beschlossen wurden, kann dieser Betrag nur bei den so genannten Ermessensleistungen eingespart werden. Im Klartext: Die 7 Milliarden werden erneut bei den arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen abgezwackt.

Schon in den vergangenen Jahren hatte die BA hier Preisdumping betrieben und die Kostensätze um 25 bis 30 Prozent gesenkt. In den letzten eineinhalb Jahren sparte die BA bei Trainingsmaßnahmen 130 Millionen Euro, bei der Beauftragung anderer Institutionen mit der Vermittlung 116 Millionen und bei berufsvorbereitenden Maßnahmen 90 Millionen Euro ein.

Die Koalition hat angekündigt, alle bisherigen arbeitsmarktpolitischen Instrumente kritisch zu überprüfen. Schon jetzt scheint ausgemacht, dass die Personal-Service-Agenturen und die Ich- AGs auf der Strecke bleiben werden; beide galten als Herzstücke der Hartz-Reformen. Klar ist allerdings auch, dass ein Stopp der Ich-AGs nicht sofort zur gewünschten Kassenentlastung führen wird, weil die Existenzgründer noch zwei bis drei Jahre Anspruch auf den BA-Zuschuss haben.

Arbeitslosengeld-I-EmpfängerInnen müssen warten

Aufgrund der Einsparvorgabe ist absehbar, dass es ab 2007 kaum noch aktive Arbeitsmarktpolitik für die EmpfängerInnen von Arbeitslosengeld I (ALG-I) geben wird. Auf jedwede Qualifizierung werden sie in der Regel ein Jahr warten müssen, bis sie als ALG-II-Empfänger bei den ARGen landen. Dort können sie dann vielleicht mit Fortbildungen oder anderen Unterstützungsmaßnahmen rechnen.

Vielleicht. Denn schon heute hat fast nur derjenige eine Chance in den Genuss von Bildungsangeboten zu kommen, der entweder unter 25 oder über 50 Jahre alt ist. Zwar ist unbestritten, dass beide Altersgruppen besondere Problemlagen haben. Die Jungen müssen unbedingt erstmals in den Arbeitsmarkt hineinkommen, und die Anhebung des Rentenalters erfordert von vielen Älteren Nachqualifizierungen. Wenn aber das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) feststellt, dass gerade für schlecht ausgebildete ArbeitnehmerInnen die Zukunftsaussichten extrem schlecht sind, muss auch bei ihnen die Zeit der Arbeitslosigkeit unbedingt für Weiterbildung genutzt werden. Das kürzlich beschlossene 200 Millionen-Euro-Sofortprogramm ist angesichts der Dimensionen nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.

Berufsvorbereitung soll gestrichen werden

Die Koalition will außerdem Berufsvorbereitungsmaßnahmen aus dem Leistungskatalog der BA streichen und den Ländern übertragen. Doch bisher ist weder die Finanzierung geklärt, noch steht fest, welche Institutionen die Aufgabe künftig übernehmen sollen. Schulmüde Jugendliche einfach wieder in die Berufsvorbereitungsklassen an den Berufsschulen zu stecken, löst dieses Problem jedenfalls nicht.

Völlig unerwähnt ließen Merkel und Müntefering in ihren Regierungserklärungen den so genannten Aussteuerungsbetrag. 10.000 Euro muss die BA für jeden Jobsuchenden zahlen, der von Arbeitslosengeld I zu II wechselt. Fürs laufende Jahr hat die BA hierfür 5,3 Milliarden Euro Versichertengelder eingeplant, die aus ihrer Kasse in den Bundeshaushalt wandern.

Dieser Aussteuerungsbetrag erweist sich zunehmend als Mauer zwischen den beiden Sozialgesetzbüchern II und III. Während er Arbeitslosengeld I erhält, bekommt der Jobsuchende nämlich von der BA nur Angebote, die innerhalb der Bezugszeit liegen. Es findet also keine längerfristig angelegte Betreuung mehr statt. Dies führt beispielsweise dazu, dass die BA keine Umschulungen – also die Ausbildung in einen neuen Beruf – mehr fördert, weil sie in der Regel 24 Monate dauern.

ULRICH KREUTZBERG

Quelle: biwifo-report 1/2006 des Fachbereichs Bildung, Wissenschaft und Forschung in ver.di.

Sie können den biwifo-report 1/2006 hier als pdf-Datei herunterladen.

Verweise zu diesem Artikel:
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 30.04.2006