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Betriebliche Weiterbildung

Unternehmen investieren gut 1000 Euro je Mitarbeiter in die betriebliche Weiterbildung.

Auch wenn es oft behauptet wird: Weiterbildung ist in deutschen Unternehmen kein Fremdwort. Im Jahr 2004 investierten gut acht von zehn Betrieben in die Qualifikation ihrer Mitarbeiter, wie die aktuelle Weiterbildungserhebung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) ergab. Insgesamt wendeten die Unternehmen fast 27 Milliarden Euro für Qualifizierungsmaßnahmen auf. Das gewerkschaftliche Ansinnen, den Umfang des Engagements per Tarifvertrag festzuschreiben, stößt bei den Betrieben auf Unverständnis – ist doch der Weiterbildungsbedarf von Firma zu Firma sehr unterschiedlich.

Mitarbeiter mit aktuellem Fachwissen sind eine Voraussetzung, ohne die Unternehmen im internationalen Wettbewerb keinen Stich mehr landen können. Lebenslanges Lernen, sprich regelmäßige Weiterbildung, ist heutzutage essenziell – auch für die Mitarbeiter zahlt sich das Engagement aus, weil es den eigenen Marktwert steigert und die Beschäftigungschancen erhöht.

Deutschland habe hier erheblichen Nachholbedarf, heißt es häufig. So pauschal stimmt diese Aussage aber nicht. Vergleichszahlen aus dem Jahr 1999 zufolge bewegte sich das Weiterbildungsengagement der Erwerbstätigen damals im Schnitt der Industrieländer. Gleiches galt für die Unternehmen. Was sich hierzulande seitdem getan hat, zeigt die fünfte, repräsentative IW-Weiterbildungserhebung:

Im Jahr 2004 investierten gut 84 Prozent der Unternehmen in das Know-how ihrer Mitarbeiter. Von denen wiederum absolvierte im Schnitt jeder 1,2 betriebliche Weiterbildungen.

Die Ergebnisse im Einzelnen:

Weiterbildungsbeteiligung.

Von den Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitern waren es sogar nur 8 Prozent, die von Fortbildungsmaßnahmen gänzlich Abstand hielten. Generell legte das Verarbeitende Gewerbe mit einer Unternehmensbeteiligung von 88 Prozent etwas mehr Wert auf Weiterbildung als der Dienstleistungssektor mit einer Quote von gut 83 Prozent. Im Vergleich zur vorherigen Weiterbildungserhebung des IW aus dem Jahr 2001 waren mehr Fortbildungsteilnehmer zu verzeichnen.

Weiterbildungsformen.

Weiterbildung heißt für die Firmen nicht nur, die Mitarbeiter auf ein Seminar oder eine Fachtagung zu schicken.

Die häufigste Form der Weiterbildung war 2004 das Training on the Job – es fand in acht von zehn Betrieben statt.

Wenn Unterweisungen und Schulungen am Arbeitsplatz von Vorgesetzten oder Kollegen übernommen werden, ist die praktische Relevanz des Gelernten besonders hoch. Unter die Kategorie Weiterbildung fällt auch, wenn neue Kollegen angelernt und eingearbeitet werden. Die gezielte Weitergabe von Wissen innerhalb der Belegschaft ist deshalb besonders hoch einzuschätzen, weil sie zugleich die Teamfähigkeit und die Kommunikationskultur im Unternehmen fördert.

Ebenso üblich wie die Schützenhilfe unter Kollegen war zuletzt auch das selbstständige Lernen mithilfe von Medien. Dazu zählt etwa die Lektüre von Fachzeitschriften und Fachbüchern, aber auch das E-Learning am Computer.

Die Mitarbeiter auf Informationsveranstaltungen zu schicken, war in drei Vierteln der Unternehmen die Regel. Den Besuch von Lehrveranstaltungen, externen wie hausinternen, boten zwei von drei Betrieben an. Eher selten fanden hingegen Umschulungen statt.

Stellt man auf die am häufigsten genutzten Fortbildungsmaßnahmen ab, sieht das Bild etwas anders aus:

Von allen Weiterbildungsteilnehmern im Jahr 2004 besuchte die Hälfte interne Kurse. Jeweils rund ein Drittel aller Fortbildungsteilnahmen entfiel auf Informationsveranstaltungen sowie externe Schulungen.

Weiterbildungszeit.

Für die Wissensauffrischung wurde die gewohnte Arbeit in den meisten Fällen beiseite gelegt. Im Schnitt fielen 76 Prozent der berufsbezogenen Weiterbildung in die Arbeitszeit – ein Viertel stemmten die Mitarbeiter in Form unbezahlter Überstunden oder in ihrer Freizeit. Nicht eingerechnet sind hier Umschulungen, die grundsätzlich während der Arbeitszeit stattfinden.

Durchschnittlich verbrachte jeder Mitarbeiter im Jahr 2004 rund 24 Stunden in Lehr- und Informationsveranstaltungen – das sind 73 Prozent mehr, als das IW für 2001 ermittelt hatte.

Hinzu kommen noch einmal geschätzte 41 Stunden für das Lernen im Rahmen der Arbeit und das Studium verschiedener Fachmedien.

Weiterbildungskosten.

Die Unternehmen investieren einiges in die Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Beschäftigten. Sie übernehmen nicht nur Referentenhonorare, Seminargebühren, Unterrichtsmaterialien und Reisekosten, sondern stellen auch Arbeitszeit. Wie viel das ausmacht, lässt sich mithilfe der durchschnittlichen Arbeitskosten je Stunde berechnen. Für das Training on the Job wurde dabei nur ein Viertel der tatsächlich aufgewendeten Arbeitszeit als Lernzeit gewertet; für die eigenständige Lektüre von Fachpublikationen wurde ein Drittel der benötigten Zeit angesetzt. Trotzdem ist die zum Lernen bereitgestellte Arbeitszeit meistens der größte Kostenposten:

Im Jahr 2004 ließen sich die Betriebe die Weiterbildung im Schnitt 1.072 Euro je Mitarbeiter kosten – 706 Euro davon ist allein die Arbeitszeit wert.

Insgesamt haben die Unternehmen in Deutschland damit 2004 rund 26,8 Milliarden Euro für Qualifizierung ausgegeben.

Die Weiterbildungsinvestitionen der Unternehmen sind deutlich höher als bei der vorigen IW-Weiterbildungserhebung. Im Jahr 2001 wurden pro Beschäftigten lediglich 869 Euro für das Know-how- Update aufgebracht. Besonders ins Auge sticht der fast 50-prozentige Anstieg der Kosten für den Arbeitszeitansatz, während die direkten Ausgaben für Weiterbildung um 6 Prozent zurückgegangen sind. Die indirekten Aufwendungen haben vor allem deshalb stark zugenommen, weil die Beschäftigung in den Branchen gesunken ist, wo traditionell weniger Arbeitszeit für die Weiterbildung verwendet wird.

Am meisten gaben die Unternehmen der aktuellen Weiterbildungsstudie zufolge für aushäusige Lehrveranstaltungen aus – insgesamt 377 Euro je Mitarbeiter. Das ist gegenüber 2001 ein deutlicher Zuwachs. Der Aufwand für interne Seminare und eigene Weiterbildungsbeauftragte schrumpfte hingegen im Vergleich zu 2001. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass Weiterbildungsaktivitäten verstärkt outgesourct wurden.

Die Weiterbildungsausgaben unterscheiden sich von Branche zu Branche beträchtlich. Den größten Stellenwert genießt die Qualifizierung der Mitarbeiter bei Finanzdienstleistern, Unternehmensdienstleistern und in der Industrie. Hier sind die direkten Kosten sogar mit Abstand am höchsten – wohl deshalb, weil technische Schulungen besonders teuer sind.

Durchschnittlich viel gaben der öffentliche Dienst und private Serviceanbieter sowie Handel, Gastgewerbe und Verkehr für Weiterbildung aus. Einen geringen Umfang hat das Lernen im Baugewerbe und in der Landwirtschaft.

Gerade kleinere Firmen mit weniger als 50 Beschäftigten investierten viel in die Ausbildung ihrer Mitarbeiter – mit 1.151 Euro pro Kopf über 300 Euro mehr als mittlere Betriebe mit 50 bis 249 Beschäftigten. Großunternehmen kommen auf 905 Euro je Mitarbeiter. Bei ihnen fallen die Arbeitszeitkosten für Lehrveranstaltungen besonders ins Gewicht. Das bedeutet, dass die Weiterbildung hier wesentlich stärker formalisiert ist.

Weiterbildungsbedarf.

In den kommenden Jahren wird der Weiterbildungsbedarf noch einmal deutlich steigen – darin sind sich die befragten Unternehmen einig. Der wichtigste Grund für eine betriebliche Fortbildung bleibt dabei eine konkret vorliegende Qualifizierungsnotwendigkeit – darauf hin wollen drei Viertel der befragten Unternehmen ihre Personalentwicklung ausrichten. Jedes zweite Unternehmen will künftig auch Vorschläge und Wünsche der Mitarbeiter stärker berücksichtigen.

Zugleich sagt aber das Gros der Unternehmen, dass die Voraussetzung für Weiterbildungsinvestitionen eigenes Engagement der Mitarbeiter sei. Sie müssten zur Sicherung ihrer Beschäftigungsfähigkeit auch von sich aus aktiv werden. Auf der Wunschliste der Betriebe steht zudem ein intensiverer Kontakt zu den Hochschulen, um akademisches Wissen stärker mit der Praxis zu verzahnen (vgl. iwd 6/2006).

Unverständnis rief hingegen das Ansinnen einiger Gewerkschaften hervor, den Qualifizierungsumfang im Tarifvertrag festzuschreiben – zu unterschiedlich sind hier die Bedürfnisse der Betriebe. Die Hälfte der Firmen lehnt eine tarifvertragliche Regelung rundweg ab. Viel halten die Unternehmen zwar davon, Zeitkonten für den Lerneinsatz zu führen. Dies gehört jedoch in keinen Tarifparagraphen, denn es bedeutet einen hohen Verwaltungsmehraufwand, den längst nicht alle Betriebe schultern wollen und können. Eine unbürokratische und flexible Handhabung der Weiterbildung muss möglich bleiben.

Quelle: Anlage zur Pressemitteilung 7/2006 des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln
Dirk Werner: Trends und Kosten der betrieblichen Weiterbildung – Ergebnisse der IW-Weiterbildungserhebung 2005, in: IW-Trends 1/2006

Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 30.04.2006