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Erwerbslosenverein erreicht Verpflichtung der Bundesbehörde zur Veröffentlichung ihrer Dienstanweisungen.

Nach dem seit 2006 gültigen Informationsfreiheitsgesetz (IFG) haben Bundesbehörden auf Antrag interne Informationen innerhalb einer Frist von einem Monat herauszugeben. Jede Bürgerin, jeder Bürger aber auch Organisationen und andere ā€˛juristische Personenā€¯ erhalten durch das IFG einen Anspruch auf Einsicht oder Herausgabe, behördeninterner Unterlagen (Durchführungs-, Dienst- und Verwaltungsanweisungen, Gutachten, Stellungnahmen etc.), wenn dadurch schutzwürdige behördliche oder private Interesse nicht berührt werden. Das IFG verpflichtet nur Bundesbehörden, nicht aber die Kommunal- oder Landesbehörden, zur Information. In vier Bundesländern gibt es jedoch Landesinformationsfreiheitsgesetze, die die unteren Verwaltungsebenen entsprechend binden.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) ist als größte Sozialbehörde direkt oder indirekt für die ā€˛Arbeitslosenverwaltungā€¯ und Existenzsicherung von mittlerweile über 8 Millionen Menschen zuständig. Bei der zentralistisch geführten BA werden fast täglich Dienst- und Handlungsanweisungen zum Umgang mit Leistungsberechtigten erlassen.

Durch die breit angelegten, von höchster politischer Ebene initiierten ā€˛Missbrauchsdebattenā€¯ wird den Erwerbslosen individuell die Schuld für ā€˛ihreā€¯ Erwerbslosigkeit zugeschoben. Mit dieser Hetze sollen die Betroffen diffamiert und individualisiert werden. Außerdem soll die Öffentlichkeit genauso von den eigentlichen Gründen der Massenarbeitslosigkeit abgelenkt werden, wie von den Zielen von Regierung und Kapital: die Absenkung der Löhne auf breiter Flur und die Ausweitung des Niedriglohnsektors. Die Stimmungsmache und ā€˛Privatisierungā€¯ der Erwerbslosigkeit soll zudem den Protest eindämmen und wirksamen Widerstand gegen diese Politik verhindern.

Dienst- und Verwaltungsanweisungen sind der administrative Kern der Armutsverwaltung und neben den Sozialgesetzen das eigentliche Mittel, mit dem die zunehmenden Verschärfungen gegenüber Erwerbslosen durchgesetzt werden. Um Verschärfungen des Leistungsrechts und der Verwaltungspraxis ā€“ wie zuletzt im Frühjahr mit dem ā€˛SGB II-Änderungsgesetzā€¯ und dem Anfang Juli verabschiedeten ā€˛SGB II-Fortentwicklungsgesetzā€¯ durchgesetzt ā€“ ein stückweit entgegenwirken zu können, hat Tacheles e.V. schon länger die bekannt gewordenen internen Verwaltungsanweisungen veröffentlicht.

Bereits Anfang 2006 mit Inkrafttreten des IFG hatte Tacheles e.V. einen Antrag auf Veröffentlichung aller internen Dienstanweisungen der BA zum zweiten und dritten Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB III) sowie der im Wochenturnus erscheinenden Handlungsanweisungen gestellt. Der Antrag bei der Mammutbehörde beinhaltet auch den Zugang zur sogenannten Wissensdatenbank. Damit sollen die Transparenz des behördlichen Handelns verbessert und die Rechte der Betroffenen gestärkt werden. (s. dazu: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2006/informationsfreiheitsgesetz.html).

Die BA ist bis April diesen Jahres dem Antrag auf Herausgabe dieser Weisungen in keiner erkennbaren Weise nachgekommen. Immer wieder wurden ā€˛technische Problemeā€¯ vorgeschoben, um die Verzögerung zu rechtfertigen (s. dazu: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2006/Informationsfreiheitsgesetz-2.html). Tacheles e.V. hat daraufhin im selben Monat einen Eilantrag beim Sozialgericht Düsseldorf gestellt. Ziel dieser Klage war es, die BA gerichtlich zur Veröffentlichung der beantragten Informationen verpflichten zu lassen (s. dazu: http://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/2006/Informationsfreiheitsgesetz-3.html).

Am 23. Juni fand eine mündliche Erörterung zum Eilverfahren beim Sozialgericht Düsseldorf statt. Ergebnis dieser Verhandlung war der Abschluss eines Vertrags zwischen dem Erwerbslosenverein und der Bundesagentur für Arbeit. Darin verpflichtet sich die BA, die im Tacheles-Antrag angeforderten Informationen und Verwaltungsverordnungen im Internet zu veröffentlichen. Da es sich bei den beantragten Dokumenten um weit über tausend Dokumente handelt, wurden zur gesamten Veröffentlichung verschiedene Fristen ausgehandelt.

Der erste Veröffentlichungstermin ist beispielsweise der 15.07.2006. Bis zu diesem Datum soll die Bundesbehörde alle Durchführungsanweisungen zum SGB II und SGB III aus dem Jahr 2006 veröffentlichen. Die letzte Frist läuft Ende Dezember 2006 ab. Eine solche Fristenlösung war sinnvoll und nötig, da die zur Veröffentlichung anstehenden Dokumente zum SGB III bis ins Jahr 2002 zurückreichen. Der Behörde wird somit die Möglichkeit eingeräumt, ein übersichtliches Datenarchiv aufzubauen.

Die BA hat sich ebenfalls verpflichtet, die Datenbanken mit allen Durchführungshinweisen, Dienstanweisungen und Handlungsanweisungen fortlaufend zu aktualisieren. Sollten einzelne Dokumente aus schutzwürdigem Interesse der Bundesbehörde nicht ins Netz gestellt werden, muss die BA den Erwerbslosenverein Tacheles e.V. darüber vierteljährlich in Kenntnis setzen. Die Durchsetzung der Veröffentlichung der internen Dienstanweisungen und insbesondere diese Informationsverpflichtung gegenüber Tacheles e.V. ist eine wichtige Regelung und ein großer Erfolg des Vereins, denn nur eine derart verbindliche Regelungen kann dauerhafte Behördentransparenz gewährleisten.

Durch die Tacheles-Initiative wird für interessierte Bürger und die Betroffenen das Verwaltungshandeln der BA und der ARGEn nachvollziehbarer und kontrollierbarer. Durch diesen Zugang zu den bisher behördeninternen Informationen, haben die Bürger und Betroffenen die Chance nachzuprüfen ob das Recht richtig und einheitlich angewandt wurde. In Zeiten zunehmender Entrechtung und Verschärfung ist die Durchsetzung eines solches Rechtes ein entscheidender Erfolg.

Es liegt nun an engagierten Bürger(inne)n und Organisationen auch in anderen Bereichen, ebenfalls ihr Informationsbedürfnis mit Hilfe des IFG durchzusetzen. Die Herangehensweise und der Erfolg des Erwerbslosenvereins Tacheles gegenüber der Bundesbehörde kann als Beispiel dienen und wird hiermit zur Nachahmung wärmstens empfohlen.

Ganz offensichtlicht scheint die Behörde nicht in der Lage oder Willens zu sein, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Tacheles e. V. hat daher wichtige Verodrnungen selber ins Netz gestellt.

Quelle: Tacheles e. V.

Die entsprechenden Internet-Seiten mit den bisher veröffentlichten Dienstanweisungen finden Sie auf der Homepage von Tacheles e. V.


Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 24.07.2006