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Weiterbildung in NRW nicht kaputt sparen

Die NRW-Landesregierung will die Landesmittel für die Weiterbildung nach dem Weiterbildungsgesetz NRW im Jahr 2007 um rund 18 Mio. senken. Berücksichtigt man die bereits vorgenommenen Kürzungen, wird deutlich, dass die Weiterbildung systematisch kaputtgespart wird.

2002 erhielten die Bildungseinrichtungen für die Aufgaben nach dem Weiterbildungsgesetz NRW noch 120 Mio. EUR aus dem Landeshaushalt. Diese Mittel wurden vom alten Landtag ab 2003 um 15% auf 102 Mio. EUR gekürzt.

Entgegen der Ankündigung der CDU im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf 2005, diese Kürzungen rückgängig zu machen, hat die neue Landtagsmehrheit die Mittel in 2006 um weitere 5% auf 96 Mio. EUR gesenkt.

Die neuerliche Kürzung auf nur noch 78 Mio. EUR ab 2007 bedeutet (bezogen auf den Ursprungswert von 120 Mio.) insgesamt eine Absenkung um 42 Mio. EUR oder 35%. Die Landesregierung will prüfen, im Gegenzug arbeitsmarktbezogene Mittel für bestimmte Bildungsangebote zur Verfügung zu stellen. Dabei ergeben sich jedoch Probleme z.B. des Eigenanteils der Bildungseinrichtungen und der Befristung der Mittel. Die hierfür vorgesehenen Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) ermöglichen Projekte, aber sie können nicht die Gefährdung des nordrhein-westfälischen Weiterbildungssystems durch die geplanten Kürzungen auffangen.

Die Begründung für die beschriebenen Kürzungen ist immer die Gleiche: Weiterbildung wird als Kostenbelastung für den Landeshaushalt empfunden und zur Haushaltskonsolidierung herangezogen. Diesen Ausgangspunkt halten wir für falsch!

Bildung gehört aus gewerkschaftlicher Perspektive zu den Grundrechten. Bildung ist eine wesentliche Grundlage für die gesellschaftliche, politische und ökonomische Teilhabe jedes einzelnen. Ich bewerte Bildungsausgaben deshalb als Investition in die Zukunft. Wer bei der Weiterbildung spart, verschlechtert die Chancen von Arbeitnehmer/innen, Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft mitzugestalten. Denn die Kürzungen des Landes werden nicht mehr (z.B. von den Kommunen, Kirchen oder Gewerkschaften) kompensiert, sondern zur weiteren Programmausdünnung und Erhöhung der Teilnehmendenbeiträge führen. Die Ausgrenzung von bildungsfernen Schichten und Bildungsbenachteiligten, z.B. bei Arbeitslosen, Migrant/innen und soziale Benachteiligten, setzt sich einmal mehr fort.

Der am 12.09.2006 vorgestellte OECD-Bericht „Bildung auf einen Blick 2006“ hält fest, dass der demografische Wandel und die sich immer schneller ändernde Arbeitswelt zu einem Bedeutungsverfall der berufsbezogenen Fort – und Weiterbildung führt.

Wie eine aktuelle Untersuchung des Instituts Arbeit und Technik (IAT) zeigt, wird Teilhabe an Bildung zunehmend zu der neuen sozialen Frage.

Bildung entscheidet über Innovation und Beschäftigungssicherung. Deshalb kommt das IAT zu dem Ergebnis: „Die Gehirnlaufzeiten sind heute wichtiger als die Maschinenlaufzeiten“. Weiterbildung darf in diesem Zusammenhang nicht auf den Kontext ökonomischer Verwertung und die Steigerung der beruflichen Kompetenzen verengt werden. Insbesondere die politische Weiterbildung ermöglicht es auch den Arbeitnehmer/innen, soziale und kulturelle Zusammenhänge wahrzunehmen, eigene Interessen zu formulieren und sich selbstbewusst in Gesellschaft und Betrieb einzumischen.

In der Koalitionsvereinbarung haben sich CDU und FDP nach der Landtagswahl 2005 zur Weiterbildung als vierter Säule bekannt und eine verlässliche Grundförderung des Landes zugesagt. Im gleichen Koalitionsvertrag wird die Bildung von der angekündigten zwanzigprozentigen Kürzung der Leistungsgesetze ausgenommen.

Die Gewerkschaften sehen in der beschriebenen Weiterbildungspolitik der Landesregierung keinen Ausbau zur vierten Säule und keine Verlässlichkeit in der Grundfinanzierung. Wir betonen gerade unter den zu beobachtenden strukturellen Veränderungsprozessen in Wirtschaft und Gesellschaft die Impulse, die von der politischen Weiterbildung ausgehen können.

Hierfür bedarf es eines Konzeptes zum lebensbegleitenden Lernen. Dieser Ansatz stellt hohe Anforderungen an die Einrichtungen der Weiterbildung und die dort Lehrenden. Weitere Kürzungen bei den Landesmitteln destabilisieren das Weiterbildungssystem und verschlechtern die Arbeitsbedingungen der dort tätigen Personen.

Als Gewerkschaft, die auch Lehrkräfte in der Weiterbildung vertritt, tritt ver.di dem zu befürchtenden Arbeitsplatzabbau und dem weiteren Verfall der Honorare entgegen. Auch die freiberuflichen Lehrkräfte brauchen existenzsichernde Honorare und eine wirksame soziale Absicherung.

Im Zusammenhang mit der Evaluierung der Integrationskurse hat das Bundesinnenministerium die Kursträger befragt. Die Mehrzahl der Lehrkräfte erhält danach Honorare zwischen 14 und 20 EUR. Wörtlich heißt es in dem Bericht:

„Im Vergleich zur Bezahlung der Lehrkräfte von der Einführung der Integrationskurse gibt knapp die Hälfte der Kursträger an, seine Lehrkräfte heute schlechter zu bezahlen... Durchschnittlich sind es zwei EUR weniger, die die Kursträger ihren Honorarkräften nach Einführung der Integrationskurse bezahlen“.

Qualität in der Vermittlung von Wissen und zur Gewinnung von gesellschaftspolitischem Engagement steht und fällt mit den Lehrkräften. Die Sanierung des Landeshaushalts zu Lasten der Lehrkräfte führt zur Abwanderung der Lehrkräfte, denen sich andere Beschäftigungschancen bieten.

Ich appelliere an die nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordneten aller Parteien:
  • Stimmen Sie dem Kürzungsvorhaben in der Weiterbildung nicht zu!
  • Helfen Sie den Einrichtungen, ihren wichtigen Bildungsauftrag erfüllen zu können!
  • Setzen Sie sich mit uns für vertretbare Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte ein.



Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 23.10.2006