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Stellungnahme zum 2. Entwurf des Innovationskreises Weiterbildung „Empfehlungen für eine Strategie des Lernens im Lebenslauf“

A) Zur Präambel

Der vorliegende 2. Entwurf des Innovationskreises Weiterbildung zu Empfehlungen für eine Strategie des Lernens im Lebenslauf will Wege aufzeigen und Vorschläge machen, wie Bildung als Deutschlands wichtigste Ressource zu nutzen und weiterzuentwickeln ist. Nach Auffassung des DGB sind für eine problemangemessene Strategie des Lernens im Lebenslauf eine Analyse der Situation der Weiterbildung und ein Leitbild für die Weiterentwicklung erforderlich. Die Präambel der Empfehlungen ist entsprechend zu ergänzen.

Situation der Weiterbildung in Deutschland

Zu Recht verweist die Präambel auf die großen Herausforderungen, die Globalisierung, demografischer Wandel und die Entwicklung zur Wissensgesellschaft für die Menschen bedeuten. Jedoch zeigt schon die in Deutschland im internationalen Vergleich geringe Teilhabe an Weiterbildung strukturelle Defizite und das Erfordernis auf, akteursbezogene Anreize massiv zu verstärken.

Bereits der 1. Nationale Bildungsbericht der KMK und des BMBF vom April 2006 hat die prekäre Weiterbildungssituation in Deutschland beschrieben: „Die Weiterbildungsteilnahme hat entgegen öffentlicher Rhetorik in den letzten Jahren abgenommen. Im Zeitraum von 1991 bis 2003 hat sich an den Abständen zwischen den unterschiedlichen Bildungsgruppen so gut wie nichts verändert. Die Prüfung weiterer Merkmale des sozioökonomischen Hintergrundes wie beruflicher Status bestätigt die Verteilungsstruktur: Beamte und Angestellte weisen höchste Teilnehmerquoten auf, während Arbeiter, insbesondere in der beruflichen Bildung, nicht einmal die Hälfte erreichen. Im europäischen Vergleich nehmen die deutschen Arbeitskräfte bei den Lernaktivitäten insgesamt eher einen unteren Platz ein (42 %), während die skandinavischen Staaten, Österreich und Luxemburg mit Teilnahmequoten bis über 80 % die Spitze bilden.“

Auch hat es in den letzten Jahren eine deutliche Verschiebung der Finanzierungslasten der Weiterbildung hin zu den Weiterbildungsteilnehmern gegeben. Parallel dazu wurden die öffentlichen Mittel zum Teil drastisch gekürzt. Bundesagentur für Arbeit, Länder, Bundeszentrale für politische Bildung, konfessionelle Einrichtungen und Wohlfahrtsverbände reduzierten ihre Ausgaben. So lagen nach dem erste Nationalen Bildungsbericht im Jahre 2002/2003 die direkten Ausgaben der privaten Haushalte für Weiterbildung mit 10,3 Mrd. _ in einer vergleichbaren Größenordnung wir die der Betriebe mit 10,0 Mrd.

Im internationalen Vergleich bieten die deutschen Unternehmen ihren Beschäftigten weniger Weiterbildung an als Unternehmen in anderen Ländern. Dabei ist das betriebliche Weiterbildungsangebot stark von der Betriebsgröße und der Branche abhängig. In kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) ist die Weiterbildungsaktivität gering.

Leitbild

Eine tragfähige Strategie zur Gestaltung des Lernens im Lebenslauf muss sich orientieren am Leitbild einer präventiven Weiterbildungspolitik. Sie darf nicht erst dann eingreifen, wenn etwa Arbeitslosigkeit eingetreten ist oder bevorsteht. Das Leitbild darf sich aber nicht allein auf berufliche, sondern muss sich auch auf allgemeine, politische und kulturelle Weiterbildung beziehen; denn nicht nur im beruflichen Umfeld, sondern in allen Lebensbezügen sind die Menschen mit neuen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert.

Das Verständnis für die Notwendigkeit Lebenslangen Lernens und höherer Investitionen für Lernen ist in vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft noch nicht angekommen. Lernen wird noch zu häufig als Konsum, Lernangebote werden noch immer als Kostenfaktor verstanden. Weiterbildung ist aber eine Investition für den einzelnen Menschen, für das einzelne Unternehmen wie auch für die Gesellschaft insgesamt.

Durch Aufbau und Sicherung von Lerngelegenheiten muss die Bildungsbereitschaft in allen gesellschaftlichen Gruppen soweit wie möglich gefördert werden. Über Teilhabe an Bildungsangeboten können auch gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten verbessert werden. Damit dient Lernen im Lebenslauf aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger nicht nur der Förderung der Beschäftigungsfähigkeit, sondern auch ihrer persönlichen Kompetenzen, die für das Zurechtfinden in der Gesellschaft und für die Bewältigung des Strukturwandels unabdingbar sind. Dabei kann Weiterbildung, wenn sie mit Arbeits- und Gesundheitsschutz verzahnt ist, auch zur gesundheitlichen Prävention beitragen.

Öffentliche und private Verantwortung in einer „Weiterbildung mit System“

Die Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien vom 11. November 2005 hebt hervor, dass Teilnahme und Teilhabe an Weiterbildung ungleich verteilt und vom sozialen, familiären und betrieblichen Status abhängig sind. Die Koalitionspartner wollen deshalb die Weiterbildung zur "Vierten Säule" des Bildungssystems entwickeln und mit bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen eine Weiterbildung mit System etablieren. Von den dort genannten Vorhaben Bildungsberatung, Benachteiligtenförderung, Bildungssparen und Bildungszeitkonten hat die Koalition bisher nur eine Initiative zum Weiterbildungssparen auf den Weg gebracht. Wie das Empfehlungspapier des Innovationskreises hält auch der DGB flankierende Beratungsangebote für unerlässlich, um die zentralen Ziele des Weiterbildungssparens zu verwirklichen. Gerade vor dem Hintergrund alternativer staatlich geförderter Spar- und Vorsorgeangebote ist Beratung erforderlich, um die Bereitschaft für eine Teilnahme an Weiterbildung zu erhöhen.

Nach Auffassung des DGB müssen die Konditionen für die Rückzahlung der Bildungskredite sozialverträglich – ähnlich wie beim Bundesausbildungsförderungsgesetz – ausgestaltet sein, damit das Instrument nicht von vornherein die Selektivität fördert.

Für den DGB gilt, dass auch für die Weiterbildung eine öffentliche Verantwortung besteht. Nur so kann eine politische Steuerung ermöglicht werden, ohne die ein Programm für eine Weiterbildungsoffensive – wie sich die Empfehlungen des Innovationskreises Weiterbildung ja verstehen – im wesentlichen auf der Ebene unverbindlicher inhaltlicher Anforderungen stehen bleibt. Denn in der Wissensgesellschaft steigt die öffentliche Verantwortung für das Erwachsenenlernen, da die Erstausbildung zunehmend nur noch „Eintrittskarte“ für gesellschaftliche Teilhabe ist. Wenn die Empfehlungen des IKWB die Eigenverantwortung der Bildungsteilnehmer hervorheben, dann darf die komplementäre Verantwortung von Politik und Unternehmen nicht vergessen werden. Auch in der Weiterbildungspolitik gilt der Grundsatz: Nicht alleine Fordern sondern auch Fördern. Anders können Beteiligung und die Ressource Motivation nicht verbessert werden.

Soweit als Ziel die Entwicklung der Weiterbildung als „Vierte Säule“ des Bildungssystems angestrebt wird, so gibt der DGB im Lichte neuerer Erfahrungen zu bedenken, dass mit einer „Versäulung“ auch die Gefahr einer institutionellen Abschottung verbunden ist. Stattdessen sollte „Weiterbildung mit System“ institutionell in einem kohärenten Bildungssystem verankert werden.

Zu einer „Weiterbildung mit System“ gehört auch ein bedarfsdeckendes Bildungsberatungs- und Informationsangebot. Nach allen Erfahrungen darf Beratung dabei nicht nur punktuell, an den so genannten „biografischen Schwellen“ stattfinden, wie dem Übergang von der Schule in Ausbildung, sondern muss kontinuierlich für das Lernen im Lebenslauf angeboten werden. Auch darf sie nicht allein über Informationsportale im Internet, sondern muss auch als persönliche „face-to-face-Beratung“ erfolgen.


B) Zu den Empfehlungen

Zum Empfehlungsteil des Papiers hebt der DGB folgende Schwerpunkte besonders hervor:

1. „Zweite Chance“: Förderung anerkannter Abschlüsse

Diejenigen, die frühzeitig aus dem Bildungssystem ausgeschieden sind und deshalb nur eine niedrige formale Qualifikation haben, müssen als Erwachsene eine „zweite oder dritte Chance“ auf Erwerb eines formalen Abschlusses erhalten.

Auch wenn der Anteil „einfacher“ Arbeitsplätze im Zuge technischer Entwicklung nicht abgenommen hat, so ist doch heute vermeintlich einfache Arbeit gar nicht so einfach, sondern erfordert andere Kompetenzen als früher. Deshalb besetzen Betriebe solche Arbeitsplätze lieber mit formal Qualifizierten. Es fehlen bislang geeignete Instrumente, um den Beschäftigtengruppen der gering Qualifizierten eine zweite Chance zu eröffnen.

Einen neuen Ansatz bietet hier in jüngster Zeit das Programm „Weiterbildung gering qualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen“ der Bundesagentur für Arbeit (WeGebAU 2007). Damit sollen die Entstehung von Arbeitslosigkeit vermieden, Beschäftigungschancen und Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbessert und dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden. Dieses beitragsfinanzierte Instrument der BA muss durch ein steuerfinanziertes Instrument ergänzt werden. Maßnahmekosten und Lebensunterhalt beim Nachholen schulischer und beruflicher Abschlüsse von Erwachsenen sollen durch staatliche Zuschüsse oder subventionierte Darlehen gefördert werden.

Um dem Ziel der Eröffnung einer “Zweiten Chance“ näher zu kommen, schlägt der DGB deshalb vor, in einem ersten Schritt das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) zu erweitern. Über die heutige Begrenzung auf Abschlüsse der anerkannten Fortbildung hinaus sollten auch Erstausbildungsabschlüsse und Zusatzqualifikationen in die Förderung einbezogen werden. Beim Zugang zu solchen Angeboten sollten auch die in der Arbeit erworbenen Kompetenzen berücksichtigt werden. Das beinhaltet auch die Möglichkeit, Abschlüsse über einzelne zertifizierte Bausteine zu erwerben.

Förderfähig wären danach folgende Maßnahmearten:
  • Schulische Abschlüsse bis zum Abschluss der Sekundarstufe II
  • Maßnahmen, die auf eine Zertifizierung von im Berufsleben erworbenem Wissen abzielen und Vorbereitungskurse für Eignungsprüfungen, sofern keine Ansprüche aus dem SGB III bestehen
  • Berufliche Abschlüsse innerhalb und außerhalb der dualen Berufsausbildung
  • Abschlüsse an Hochschulen
  • Öffentlich-rechtliche Fortbildungsabschlüsse

Bei a) und c) ist das Mindestalter bei Eintritt der Maßnahme die Vollendung des 27. Lebensjahres. Ein Studium nach Ziff. d) wird nur gefördert, wenn es vor dem vollendeten 50. Lebensjahr beginnt. Für eine Förderung nach e) ist keine Altersgrenze vorgesehen, verlangt wird lediglich ein Äquivalent einer abgeschlossenen Berufsausbildung.

Ein solcher erster Schritt würde Erfahrungen aus Schweden aufgreifen, wo Erwachsene zum Nachholen eines Bildungsabschlusses eine staatliche „Studienunterstützung“ bis zur Höhe des Arbeitslosengeldes (mit einem Zuschuss- und einem Darlehensanteil) in Anspruch nehmen können. Verbunden ist das dort mit einem gesetzlich verbürgten Recht auf Freistellung und Rückkehr in den Betrieb, deren Modalitäten zwischen Betrieb und Arbeitnehmer ausgehandelt werden müssen.

2. Betriebliche Weiterbildung: Förderung durch Lernzeitkonten/Arbeitszeitkonten

Die Arbeitswelt ist ein zentraler Bereich für den Zugang zu Lerngelegenheiten im Lebenslauf. Hier sind zeitliche, finanzielle und motivationale Ressourcen für Lernen zu organisieren. Ein Vorschlag dazu besteht in der Einrichtung betrieblicher Lernzeitkonten. In der Koalitionsvereinbarung heißt es dazu: „Die Tarifvertragsparteien ermuntern wir, die Einrichtung von Bildungszeitkonten zu vereinbaren, auf denen Arbeitnehmer Überstunden und Urlaubstage langfristig sammeln können. Der Staat hat dabei für angemessene Rahmenbedingungen zu sorgen, zu denen etwa die Insolvenzsicherung von Arbeits- und Lernzeitkonten gehört.“

Nach einer repräsentativen Befragung von Betriebsräten gibt es in fast drei Viertel der Betriebe mit Betriebsrat Arbeitszeitkonten, aber lediglich in 6,5 % der Betriebe handelt es sich um Langzeitkonten. Diese sollten sich grundsätzlich auch für Weiterbildung nutzen lassen. Dafür gibt es bislang in der Praxis aber nur sehr wenige Beispiele.

Im Falle alternativer Nutzungsmöglichkeiten der Langzeitkonten (Geldausgleich, Freizeit vorzeitiger Ruhestand, Weiterbildung) dürften ohne spezifische Anreize für das Weiterlernen die Beschäftigten in der Regel eher eine der anderen Nutzungsmöglichkeiten präferieren. Wenn die verstärkte Nutzung für Zwecke der Weiterbildung gewünscht ist, müssen folglich Anreize geschaffen werden. Sie können darin bestehen, dass bei Nutzung einer Mindeststundenzahl für Weiterbildung die Kosten der Maßnahme gefördert oder übernommen werden. Dies kann durch staatliche oder tarifvertragliche Regelungen geschehen. Dabei sollte auch eine Koppelung mit Bildungssparen und Bildungsgutscheinen möglich sein.

Da die Einrichtung eines Kontos allein nicht automatisch auch ein ausreichendes Guthaben entstehen lässt, sind weitere Quellen zu identifizieren und zu organisieren, die im benötigten Umfang Lernzeiten bereitstellen. Dafür bieten sich Ansprüche aus Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzen der Länder sowie tarifliche und betriebliche Freistellungsansprüche an.

Nach Auffassung des DGB sollte der Staat die Rahmenbedingungen dafür verbessern, dass Vereinbarungen über Lernzeitkonten auch praktisch umsetzbar sind. In Anlehnung an und in Ergänzung der Koalitionsvereinbarung geht es um:
  • gesetzliche Regelung zur Insolvenzsicherung von Arbeitszeitkonten
  • Förderung von Maßnahmekosten bei Nutzung von Lernzeitkonten, Verknüpfung mit der Förderung des Bildungssparens
  • Eröffnung von Rückkehrrecht nach Nutzung von Lernzeitkonten
  • nachgelagerte Besteuerung der Einzahlungen auf Lernzeitkonten
  • Allgemeinverbindlichkeitserklärung tariflicher Regelungen.

Beschäftigte werden betriebliche Lernzeitkonten nur bei ausreichender Motivation für die Teilnahme an organisiertem Lernen in größerem Ausmaß nutzen. Motivationsfördernde Bedingungen bestehen in der Arbeitsorganisation, in der Anerkennung und der Aussicht auf Nutzung erworbener Kompetenzen im Betrieb. Tarifliche und betriebliche Vereinbarungen können dazu beitragen, moderne lernförderliche Arbeitsorganisation zu verwirklichen. Stichworte sind hier Reduzierung der Arbeitsteilung, Autonomie- und Partizipationsspielräume, Kommunikationszeiten in Gruppenarbeit und Gelegenheiten zur Job-Rotation. Zu Recht hebt der Empfehlungsentwurf die Entwicklung von Verfahren und Instrumenten der Anerkennung betrieblich erworbener Kompetenzen hervor. Hier dürften der kommende deutsche Qualifikationsrahmen und das europäische Kreditpunktesystem für die berufliche Bildung hilfreich sein. Schließlich ist besonders für ältere Arbeitnehmer die Aussicht des Nutzens von Weiterbildungsgelegenheiten für die weitere Beschäftigung wichtig. Hier besteht ein enger Zusammenhang mit betrieblicher Beschäftigungspolitik für Ältere.

3. Weiterbildung in KMU: Förderung durch Bildungsschecks

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bieten deutlich seltener Weiterbildung an als größere. Deshalb stellen die Empfehlungen zu Recht die Verbesserung der Weiterbildung in diesem Unternehmensbereich heraus. Hierzu schlägt der DGB vor, die in Nordrhein-Westfalen erprobten „Bildungsschecks als Förderzuschuss für die Weiterbildung“ bundesweit anzubieten.

Das Landesprogramm NRW richtet sich an Beschäftigte in kleinen und mittleren Betrieben mit bis zu 250 Beschäftigten, die zwei Jahre an keiner Weiterbildung teilgenommen haben. Der Zugang ist sowohl individuell als auch betrieblich möglich. Interessierte Beschäftigte können für ihre berufliche Weiterentwicklung ebenso einen Bildungsscheck in Anspruch nehmen wie auch Betriebe, die im Rahmen ihrer Personalentwicklung geeignete Qualifizierungen für ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen benötigen. Einbezogen sind dabei alle Beschäftigtengruppen: von den Fach- und Leitungskräften bis hin zu den Minijobbern und Minijobberinnen sowie Frauen und Männer in Elternzeit. Auch Unternehmer, Existenzgründerinnen und Freiberufler können in den ersten fünf Jahren der Unternehmensgründung den Weiterbildungszuschuss in Anspruch nehmen.

Gefördert werden Weiterbildungen, die der beruflichen Qualifizierung und dem Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit dienen. Qualifizierungsinhalte können beispielsweise sein: Sprach- und EDV-Schulungen, Erwerb von Schlüsselqualifikationen, Medienbildung oder Lern- und Arbeitstechniken. Ausgeschlossen von der Förderung sind rein arbeitsplatzbezogene Anpassungsqualifizierungen wie Maschinenbedienerschulungen oder Trainings bei neuen Produkteinführungen.

Eine Beratung ist Voraussetzung für die Vergabe eines Bildungsschecks: Dabei werden inhaltliche und formelle Voraussetzungen geklärt und geeignete Weiterbildungsangebote und Anbieter ausgewählt. Im Anschluss an die Beratung wird der Bildungsscheck ausgehändigt und beim Weiterbildungsträger zur Verrechnung eingereicht. Gefördert wird die Hälfte der Kosten einer Bildungsmaßnahem, maximal 500 _. Anlaufstellen sind Kammern, Wirtschaftsförderungsagenturen, Volkshochschulen oder Weiterbildungs-Netzwerke, wie sie in einigen Regionen bestehen.

Aufgrund der vorliegenden Erfahrungen sollten Bildungsschecks nur für anerkannte und zertifizierte Weiterbildungsträger und Maßnahmen sowie nur verbunden mit qualifizierter Beratung vergeben werden. Eine strenge Beschränkung auf berufliche Weiterbildung ist nicht ratsam, da eine saubere inhaltliche und institutionelle Trennung zwischen beruflicher und allgemeiner Weiterbildung kaum möglich ist und den Weiterbildungserfordernissen von Wirtschaft und Gesellschaft nicht entspricht. Auch sollten Bildungsschecks durch Ressourcen aus dem Bildungssparen aufgestockt werden können, um ihre Reichweite zu erhöhen. Schließlich sollte die in NRW bestehende Begrenzung auf Betriebe mit maximal 250 Beschäftigten geöffnet werden.

4. Integration beruflicher und allgemeiner Weiterbildung

Der Wandel in allen gesellschaftlichen Bereichen stellt Organisationen und Menschen vor komplexe Erwartungen. Im Interesse des Gemeinwohls gilt es deshalb, neben Fachwissen und Kompetenzen für die Berufsausübung auch das Verständnis für gesellschaftliche, soziale, politische und kulturelle Zusammenhänge zu verbessern und damit die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung zu fördern. So gesehen besteht eine Komplementarität von beruflicher und allgemeiner Weiterbildung. Dies bedeutet, dass nicht nur die berufliche, sondern auch die allgemeine Weiterbildung eine zumindest indirekte Wirkung für die Steigerung volkswirtschaftlicher Produktivität hat. Allgemeine Weiterbildung darf nicht nur als Konsum, sondern muss auch als Investition verstanden werden, in die zu investieren sich ökonomisch lohnt.

Zwar erwähnt die Präambel des zweiten Entwurfs der Empfehlungen des Innovationskreises die politische, kulturelle und allgemeine Weiterbildung, doch wird dieser Bildungsbereich in den einzelnen Empfehlungen nicht aufgegriffen, lediglich im Abschnitt „Lernen ohne Grenzen“ taucht er knapp auf. In der Praxis der Weiterbildung wird jedoch die traditionelle Trennung zwischen beruflicher Weiterbildung und allgemeiner, kultureller und politischer Bildung zunehmend überschritten. Auch in anderen Staaten besteht diese Trennung so nicht. Die geplante Initiative „Lernen vor Ort“ sollte deshalb auch die bessere Vernetzung und Durchlässigkeit der Bildungsbereiche und die Verzahnung von beruflicher und allgemeiner Weiterbildung fördern.

Die Zusammengehörigkeit von beruflichen und allgemeinen Kompetenzen zeigt sich auch beim bürgerschaftlichen Engagement. Die Fähigkeit dazu wird nicht ohne Lernen erworben oder weitergegeben. Dabei kommt es zwar weniger auf fachliche Kenntnisse, sondern mehr auf Schlüsselqualifikationen wie soziale und kommunikative Kompetenz, Fähigkeit zum Selbstmanagement und zur Übernahme von Leitungs- oder Verwaltungsaufgaben an, doch werden auch diese in beruflichen Zusammenhängen erworben. Umgekehrt kann eine Zertifizierung der in bürgerschaftlichem Engagement erworbenen Kompetenzen eine Verwertung auch im Erwerbsleben ermöglichen. So kann es attraktiv werden, sich beispielsweise in Zeiten des Übergangs von Ausbildung zum Beruf oder der Erwerbslosigkeit ehrenamtlich zu engagieren. Ein solches Engagement könnte gezielt in die eigene Berufsbiografie eingebaut werden und so Brücken zur Arbeitswelt schlagen, wodurch wechselseitige Synergieeffekte möglich würden. Auch viele ältere Menschen möchten in der nachberuflichen Phase aktiv bleiben und sind zum Engagement bereit, sofern sich sinnvolle Handlungsmöglichkeiten bieten.

In diesen Zusammenhang gehören Möglichkeiten der Freistellung von der Arbeit für Bildungszwecke. Sie sind Bestandteil kultureller Grundausstattung einer Nation. In einigen Tarifverträgen wie auch in einer Reihe von Bundesländern gibt es dazu solche Regelungen. Der DGB möchte sie in allen Bundesländern eingeführt sehen. Ein Anspruch auf Freistellung soll dabei in Erweiterung bestehender Regelungen auch für längerfristige Weiterbildungsangebote verwendbar und inhaltlich breiter genutzt werden können.

Eine flächendeckende Grundversorgung mit Angeboten allgemeiner, politischer und kultureller Weiterbildung ist durch Länder und Kommunen zu gewährleisten. Zu erwägen sind in dem Zusammenhang Orientierungsgrößen für einen Prozentsatz des Haushalts für die Weiterbildungsförderung.

5. Statistik

Voraussetzung für Entscheidungen über ein ausreichendes Angebot an organisierten Lerngelegenheiten sind statistische Daten, die den Blick auf ein Gesamtbild der Weiterbildungslandschaft ermöglichen. Es gibt in Deutschland aber bisher nur wenige und verstreute Daten, die das Leistungsspektrum der Institutionen der Weiterbildung abbilden. Gleichzeitig sind aber ein zunehmender Bedarf und ein wachsendes Interesse daran festzustellen. Dieser Bedarf ist in einer bundesweiten und auch die europäische Dimension einbeziehenden Weiterbildungsstatistik zu realisieren.


Quelle: Ingrid Sehrbrock, Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Berlin, 12.10.2007

Schlagworte zu diesem Beitrag: Betriebliche Weiterbildung, Bildungsgutschein, Freiberufler/Selbstständige, Volkshochschule
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 14.04.2009