Berufliche Weiterbildung

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Ältere und KMU - eine brisante Mischung für betriebliche Weiterbildung

Prof. Bellmann, erst einmal herzlichen Glückwunsch zur Berufung auf den Stiftungslehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Arbeitsökonomie, an der Universität Erlangen-Nürnberg, da wird es sicher auch zum Thema ‚Ältere und KMU' großen Forschungsbedarf geben, aber dabei und bei der Lehre werden Sie sicher qualifizierte Unterstützung von fortgeschrittenen Studenten und Graduierten haben. Welche Themen werden Sie in diesem Bereich zuerst anpacken?

Lutz Bellmann: Der Titel meiner Lehrveranstaltung lautet Bildungsökonomie. Dabei werde ich Themen wie die allgemeine Schulbildung, die Hochschulbildung, die berufliche Aus- und Weiterbildung sowie den Fachkräftebedarf behandeln. Auch das Weiterbildungsverhalten besonderer Personen- und Betriebsgruppen, wie etwa das von älteren Arbeitnehmern in KMU, wird eine Rolle spielen. Zudem werde ich mit Unterstützung des ehemaligen Direktors des IAB, Prof. Dr. Friedrich Buttler, der bis vor kurzem als Regionaldirektor bei der International Labour Organization (ILO) die Programme der Organisation in Europa und Zentralasien koordinierte, das Thema Internationale Sozialpolitik angehen.


Die Folie, auf die sich Ihre Überlegungen zur Problematik beziehen, ist die, dass Weiterbildung vor dem Hintergrund einer alternden und schrumpfenden Bevölkerung eine - immer - wichtige(re) Rolle spielt und vor diesem "Doppeleffekt von alternden Unternehmensbelegschaften und ausbleibendem Fachkräftenachwuchs ...das Schlagwort vom ‚lebenslangen Lernen' zentrale Bedeutung erhält". Können Sie uns das bitte erläutern?

Ute Leber: Auf die wachsende Bedeutung von Weiterbildung vor dem Hintergrund technischer und organisatorischer Neuerungen wird schon lange hingewiesen. Eine besondere Rolle spielt die Weiterbildung aber auch angesichts der demografischen Entwicklung. Die Bevölkerung in Deutschland, ebenso wie die in vielen anderen Industriestaaten, schrumpft nicht nur, sie altert auch. Dies führt zum einen dazu, dass der Anteil der älteren Erwerbspersonen steigen wird, zum anderen kann es - zumindest in einigen Bereichen - zu Engpässen auf dem Arbeitsmarkt kommen.

Zur Begegnung des Fachkräftebedarfs kommen grundsätzlich verschiedene Strategien in Frage, von denen die Weiterbildung eine mögliche darstellt. Wichtig wird es zudem auch sein, verstärkt das Potenzial Älterer zu nutzen. Um ältere Personen aber arbeits- und beschäftigungsfähig zu erhalten, sind aus betrieblicher Sicht verschiedene personalpolitische Maßnahmen wichtig, die vom Gesundheitsschutz über Instrumente der Arbeitszeit- und Arbeitsplatzgestaltung bis hin zur Weiterbildung reichen.


Dabei spielt die demografische Entwicklung nach Auffassung aller Fachleute auch deshalb eine zentrale Rolle, weil Unternehmen - auch KMU - künftig ihren Qualifikationsbedarf nicht mehr allein durch frisch ausgebildete Fachkräfte decken können, sondern auch ältere MitarbeiterInnen aktiv in die betriebliche Leistungserstellung einbeziehen müssen - immer ein gewisses Wirtschaftswachstum doch wohl vorausgesetzt und dass neue und bisher nicht vorhandene Qualifikationen erworben werden müssen, sonst würde das vorhandene Reservoir ja u.U. ohne Investitionen in das Bildungsvermögen älterer Beschäftigter auskommen und KMU's könnten diese Maßnahme sparen und über den Arbeitsmarkt die benötigten Kräfte akquirieren?

Lutz Bellmann: Im internationalen Vergleich ist die Erwerbsbeteiligung Älterer in Deutschland nach wie vor niedrig. Dies wird sich in der Zukunft voraussichtlich ändern. Nicht nur aufgrund der demografischen Entwicklung wird die Erwerbsquote Älterer steigen, sondern auch aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen wie des Anstiegs des Renteneintrittsalters, der Abschaffung von Vorruhestandsinstrumenten oder der Beschränkung von Möglichkeiten des vorgezogenen Rentenzugangs.

Damit die wachsende Zahl Älterer auch einen Arbeitsplatz findet bzw. damit Ältere länger in Beschäftigung bleiben können, sind die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Dabei ist insbesondere auch die Personalpolitik der Betriebe gefordert. Wesentliche Elemente davon wurden eben bereits genannt. Eine wichtige Rolle spielt dabei gerade auch die Weiterbildung: Sollen Erwerbspersonen bis ins Alter aktiv am Prozess der betrieblichen Leistungserstellung teilhaben, so erfordert dies auch, dass ihre Fähig- und Fertigkeiten auf dem neuesten Stand sein müssen. Dies macht eine kontinuierliche Weiterbildung über den ganzen Erwerbsprozess und auch im Alter notwendig. Ältere Individuen nehmen bislang aber nur sehr unterdurchschnittlich an Weiterbildung teil.


Vielleicht hängt mit diesen Effekten auch zusammen, dass die Bundesrepublik im internationalen Vergleich, wie gerade durch eine europaweite Erhebung deutlich wurde, nach wie vor nur einen unteren Platz in der Rangliste der weiterbildungsaktiven Länder einnimmt?

Ute Leber: Wie die europäische Weiterbildungserhebung CVTS (Continuing Vocational Training Survey) zeigt, liegt Deutschland, was das Angebot und die Beteiligung an betrieblicher Weiterbildung betrifft, im Mittelfeld der EU-Staaten. Im Vergleich zu den deutschen Unternehmen sind insbesondere die Betriebe in den skandinavischen Ländern relativ weiterbildungsaktiv. Zwar ist auch in den anderen Staaten eine nur unterdurchschnittliche Weiterbildungsbeteiligung von KMU und Älteren festzustellen, doch sind die Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen nicht überall gleichermaßen ausgeprägt wie in Deutschland.

Die Ursachen für das unterschiedliche Weiterbildungsniveau zwischen den Ländern sind vielfältig. Ein wichtiger Faktor ist sicher das Verhältnis von Aus- und Weiterbildung, das sich zwischen den Ländern unterscheidet. Zudem sind die rechtlichen bzw. tarifvertraglichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Weiterbildung in den einzelnen Ländern ganz unterschiedlich. Dies gilt auch für die spezielle Frage der Förderung der Weiterbildung der hier betrachteten Personen- bzw. Betriebsgruppen.


Was die ‚Weiterbildungsabstinenz' älterer Beschäftigter aus betrieblicher und individueller Perspektive angeht, so gibt es von den Argumentationsfiguren - so habe ich Sie verstanden - in gewissem Sinne ‚Entsprechungen'. So ist bei der betrieblichen Weiterbildungsentscheidung die Länge der Auszahlungsperiode der Weiterbildungserträge ein Teil des betrieblichen Kosten-Nutzen-Kalküls. Mit anderen Worten wird eine Weiterbildung bei diesen Personen nicht mehr als lohnend angesehen, da ihr Ausscheiden in absehbarer Zukunft liegt. Ältere Beschäftigte, dies die ‚Entsprechung', die davon ausgehen, dass sie aus einer Weiterbildung weder in monetärer noch nicht-monetärer Hinsicht einen Nutzen mehr ziehen, haben möglicherweise entweder kein Interesse an einer Weiterbildungsbeteiligung oder nehmen ein betriebliches Angebot eher nicht an. Es gibt vice-versa noch weitere solcher Entsprechungen aus betrieblicher und individueller Sicht, die für unseren Zusammenhang ebenso interessant sind, u.a. die betriebliche Einschätzung der Lernfähigkeit bzw. des Lernvermögens oder die individuellen Hemmungen, sich an Weiterbildungsveranstaltungen zu beteiligen?

Ute Leber: Will man die vergleichsweise geringe Weiterbildungsbeteiligung Älterer - ebenso wie die unterdurchschnittliche Weiterbildungsbeteiligung weiterer Personengruppen - erklären, ist es erforderlich, sowohl angebots - als auch nachfrageseitige Faktoren heranzuziehen. Das bedeutet, dass neben dem Verhalten der Unternehmen auch das der betroffenen Individuen selbst zu betrachten ist.

Im Hinblick auf die Weiterbildungsbeteiligung älterer Arbeitnehmer spielt in diesem Zusammenhang sicher der zeitliche Horizont des Beschäftigungsverhältnisses eine Rolle. Oft wird argumentiert, dass Weiterbildungsinvestitionen bei dieser Personengruppe nicht mehr lohnend sind (und zwar sowohl aus Sicht der Unternehmen als auch der der Älteren selbst), da das Ende des Erwerbslebens absehbar ist und die Erträge der Weiterbildung demzufolge nur in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum realisiert werden können. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die empirisch zu beobachtende Weiterbildungsbeteiligung bereits etwa ab dem 50. Lebensjahr abnimmt. Gerade vor dem Hintergrund einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit bedeutet dies, dass die verbleibende Beschäftigungsdauer noch hinreichend lang sein kann. Dies gilt umso mehr, als technische und organisatorische Neuerungen zu einer geringeren Halbwertszeit des Wissens führen und Weiterbildung sich somit auch in einem höheren Lebensalter noch rentieren kann.

Neben der Frage nach der Länge der Auszahlungsperiode der Weiterbildungserträge lassen sich noch weitere Faktoren identifizieren, die die geringe Weiterbildungsbeteiligung Älterer erklären können. Von Bedeutung ist dabei vor allem auch, wie Betriebe, aber auch die älteren Individuen selbst, ihre Lern- und Leistungsfähigkeit einschätzen. Gehen Unternehmen davon aus, dass ältere Mitarbeiter weniger leistungs- und lernfähig sind als ihre jüngeren Kollegen, kann dies dazu führen, dass diese Beschäftigtengruppe bei betrieblichen Qualifizierungsaktivitäten außen vor bleibt. Hierauf werden wir noch näher eingehen. Nimmt man die Perspektive der älteren Arbeitnehmer ein, so ist in diesem Zusammenhang die Frage der Lerngewöhnung von besonderer Bedeutung. Vorliegende Untersuchungen zeigen, dass sich bei älteren Beschäftigten, die länger nicht gelernt haben, oftmals eine Lernentwöhnung einstellt. Diese kann unter anderem dazu führen, dass Ältere Angst vor dem Lernen an sich, aber etwa auch vor dem Einsatz bestimmter Medien aufbauen.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei auch die Lernförderlichkeit der Arbeitsumgebung. Vor allem für Personen über einen langen Zeitraum hinweg die gleiche, monotone Tätigkeit ausüben, wird es immer schwieriger, Neues zu lernen. Diese Ergebnisse weisen auf die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Lernens über den gesamten Erwerbsprozess hinweg hin. Weiterbildungsmaßnahmen, die nach einer längeren lernabstinenten Phase erst im Alter ansetzen, kommen oftmals zu spät.


Der Bedarf an zielgruppenspezifischen Weiterbildungsangeboten für Ältere dürfte vorhanden sein, ob solche Maßnahmen aber auch umsetzbar sind, hängt sicher von mehreren Faktoren ab. Ähnlich dürfte es auch mit passgenauen Angeboten z.B. bei externen Weiterbildungsanbietern und -veranstaltungen und bei regionalen Unterschieden sein?

Lutz Bellmann: Altersspezifische Weiterbildungsmaßnahmen können dann Sinn machen, wenn ältere Arbeitnehmer ein anderes Lernverhalten an den Tag legen als jüngere. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang oft zwischen den höher qualifizierten Beschäftigten, die sich kontinuierlich weitergebildet haben, und den weniger qualifizierten Personen, die vom Lernen entwöhnt sind, unterschieden. Altersspezifische Maßnahmen werden vor allem für die zuletzt genannte Gruppe für sinnvoll erachtet, zumal diese Personen oftmals gewisse Lernhemmungen aufgebaut haben. Allerdings besteht bei speziellen Lernangeboten für Ältere auch die Gefahr der Stigmatisierung bzw. Ausgrenzung. Im Unterschied zu zielgruppenspezifischen Maßnahmen haben altersgemischte Weiterbildungsaktivitäten den Vorteil, dass hier Jüngere und Ältere voneinander lernen können. Das Erfahrungswissen der Älteren kann durch die frisch erworbenen Qualifikationen der Jüngeren ergänzt werden.

Wie die Ergebnisse des IAB-Betriebspanels zeigen, spielen zielgruppenspezifische Weiterbildungsangebote in der betrieblichen Praxis eine sehr untergeordnete Rolle. Ein Grund für die geringe Bedeutung dieser Maßnahmen kann darin liegen, dass spezielle Aktivitäten nicht für erforderlich erachtet werden. Möglicherweise fehlen aber auch passgenaue Angebote bzw. die Informationen hierüber.


Interessant ist in unserem Zusammenhang mit Sicherheit, wie Betriebe ihre älteren im Vergleich zu ihren jüngeren Mitarbeitern einschätzen. Da haben Sie als Verantwortliche für das IAB-Betriebspanels ja Informationen aus erster Hand und können damit ihre bisherigen Erläuterungen noch zusätzlich unterfüttern?

Ute Leber: Die Frage, wie Betriebe die Fähigkeiten ihrer älteren Mitarbeiter einschätzen, dürfte zur Erklärung ihrer Weiterbildungsentscheidung tatsächlich eine Rolle spielen. So ist davon auszugehen, dass Unternehmen weniger dazu bereit sind, ältere Beschäftigte in Weiterbildungsmaßnahmen einzubeziehen, wenn sie sie als weniger leistungs- und lernfähig als ihre jüngeren Kollegen einschätzen. Umgekehrt wird ein Betrieb, der zu einem altersfreundlichen Urteil neigt, älteren Beschäftigten eher Weiterbildung anbieten.

Das IAB-Betriebspanel hat im Jahr 2002 Informationen dazu erhoben, wie Betriebe verschiedene Eigenschaften ihrer älteren und jüngeren Mitarbeiter sehen. Insgesamt zeigt sich, dass Arbeitgeber ihre älteren Beschäftigten durchaus positiv einschätzen. Allerdings wird bei den Älteren und den Jüngeren die Ausprägung unterschiedlicher Leistungsparameter betont. Während Älteren aus betrieblicher Sicht Vorteile bei Eigenschaften wie Arbeitsmoral, Qualitätsbewusstsein und Erfahrungswissen zugesprochen werden, schneiden die Jüngeren bei Eigenschaften wie Flexibilität, Kreativität und körperliche Belastbarkeit besser ab.

Im Zusammenhang mit der Weiterbildung ist darüber hinaus die Frage von besonderem Interesse, ob sich aus betrieblicher Sicht Unterschiede zwischen Jüngeren und Älteren bei den Eigenschaften Lernfähigkeit und -bereitschaft ergeben. In Bezug auf diese Merkmale zeigt sich, dass Betriebe Vorteile bei der Gruppe der Jüngeren sehen, Ältere also als weniger lern- und leistungsfähig einschätzen als ihre jüngeren Kollegen. Ob diese Sichtweise aber tatsächlich das betriebliche Weiterbildungsverhalten beeinflusst, ist fraglich. Empirische Untersuchungen zeigen zwar, dass Arbeitgeber, die die Lernfähigkeit und Lernbereitschaft der Älteren positiv einschätzen, diese Gruppe auch eher in Weiterbildung einbeziehen, dass der umgekehrte Zusammenhang für die weniger altersfreundlich urteilenden Betriebe jedoch nicht gilt. Allerdings kann der Befund, dass die Lernfähigkeit älterer Mitarbeiter anders eingeschätzt wird als die jüngerer, möglicherweise für das Angebot an altersspezifischen Weiterbildungsmaßnahmen sprechen.


Sie haben für Klein- und Mittelbetriebe noch auf einen interessanten Aspekt hingewiesen, das nämlich dann, wenn sich kleine Betriebe zur Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen auch für ihre älteren Beschäftigten entschließen, dass sie dann nicht nur einen relativ hohen Belegschaftsanteil insgesamt damit einbeziehen, sondern die Weiterbildungsintensität durchaus höher als bei Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten sein kann. Sie haben das den „Wenn-schon-denn-schon"-Effekt genannt, den auch andere Institute so sehen, den Sie uns aber sicher erläutern wollen?

Lutz Bellmann: Kleine und mittlere Betriebe werden oftmals als Problemgruppe der Weiterbildung angesehen. Dies stimmt, wenn man das Angebot an Weiterbildung betrachtet. So ist der Anteil an Betrieben, die Weiterbildungsmaßnahmen für ihre Mitarbeiter anbieten, im klein- und mittelbetrieblichen Segment deutlich niedriger als der entsprechende Anteil bei den Großbetrieben.

Anders stellt sich die Situation aber dann dar, wenn man das Augenmerk auf die Aktivitäten nur der weiterbildenden Betriebe richtet. Hier zeigt sich, dass kleine und mittlere Betriebe, die Weiterbildungsmaßnahmen anbieten, vergleichsweise aktiv in diesem Bereich sind. Dies äußert sich zum einen im Anteil der in die Weiterbildung einbezogenen Mitarbeiter, partizipiert in weiterbildenden Klein- und Mittelbetrieben doch ein relativ hoher Belegschaftsanteil an den Qualifizierungsaktivitäten. Zum anderen ist auch für die Weiterbildungskosten festzustellen, dass Klein- und Mittelbetriebe, die sich zur Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen entschieden haben, höhere Ausgaben hierfür tätigen als es die größeren Betriebe tun.

Dieser Befund weist darauf hin, dass Aktivitäten zur Erhöhung des Weiterbildungsniveaus im klein- und mittelbetrieblichen Segment verstärkt drauf ausgerichtet sein sollten, weiterbildungsabstinente Betriebe für das Angebot an Weiterbildung zu gewinnen.


KMU beteiligen sich auf jeden Fall, das kann man festhalten, unterdurchschnittlich an der Weiterbildung und das hängt bei dieser Betriebsgröße mit einer Reihe von Faktoren zusammen, die sich von denjenigen größerer Betriebe systematisch unterscheiden, die aber national wegen der Summe der KMU-Betriebe dann doch von Bedeutung in Deutschland sein dürften. Analog sind es auf der Personenebene, wie schon angesprochen, die Älteren, die ebenfalls eine unterdurchschnittliche Weiterbildungsbeteiligung aufweisen - eben eine ‚brisante Mischung' von KMU und Älteren?

Ute Leber: Unterdurchschnittlich ist bei den KMU, wie geschildert, vor allem das Angebot an Weiterbildung. Dies kann mit einer Reihe von Faktoren zusammenhängen. Zu beachten ist zunächst, dass das Angebot an eigenen Weiterbildungsveranstaltungen für kleine und mittlere Betriebe organisatorisch vielmals nicht durchführbar bzw. wirtschaftlich vertretbar ist. Hinzu kommt, dass die Informationen über die Weiterbildungsangebote externer Träger oft nur unzureichend sind und die Verhandlungsmacht diesen gegenüber weniger stark ausgeprägt ist als es bei größeren Betrieben der Fall ist. Dies kann Auswirkungen etwa auf die Kosten der Weiterbildung, aber auch die Passgenauigkeit von Maßnahmen haben.

Kleine und mittlere Betriebe verfügen zumeist über keine systematische Personalarbeit und können demzufolge ihren Qualifikations- und Weiterbildungsbedarf nur schwer einschätzen. In der Folge wird Weiterbildung oftmals gar nicht als erforderlich erachtet. Als problematisch dürfte sich in KMU schließlich auch die Freistellung von Mitarbeitern zur Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen während der Arbeitszeit darstellen. Diese geht oftmals mit Mehrarbeit der Kollegen bzw. der Beschäftigung von Vertretern einher, was mit entsprechenden zusätzlichen Kosten verbunden ist.

Vorliegende Untersuchungen zeigen aber, dass es sich bei den kleinen und mittleren Betrieben - was die Frage der Weiterbildung betrifft - keineswegs um eine homogene Gruppe handelt. Vielmehr lassen sich auch hier Betriebe erkennen, die überdurchschnittlich weiterbildungsaktiv sind, so etwa innovative Unternehmen aus dem IT-Sektor. Trotz solcher „Positivbeispiele" liegt der Anteil der weiterbildenden Betriebe im klein- und mittelbetrieblichen Bereich insgesamt aber deutlich unter dem im großbetrieblichen Segment und kann damit als problematisch angesehen werden. Dies gilt umso mehr, als KMU die Mehrheit der deutschen Betriebe stellen.

Verbindet man nun die Betriebsebene mit der Personenebene, so lassen sich besonders schlechte Weiterbildungschancen für jene weiterbildungsfernen Gruppen wie die Älteren ausmachen, die in KMU beschäftigt sind. Den Daten des IAB-Betriebspanels zufolge gaben im Jahr 2006 nur 3% der Kleinstbetriebe mit bis zu neun Beschäftigten, die überhaupt ältere Mitarbeiter hatten, an, diese auch in Weiterbildung einzubeziehen. In den Großbetrieben mit 1.000 und mehr Beschäftigten lag dieser Anteil dagegen bei 48% - doch ist er auch hier gering verglichen mit einem Anteil der Großbetriebe von nahezu 100%, die überhaupt Weiterbildung (für alle Mitarbeitergruppen) fördern.


Da die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt - auch in der Frage der Möglichkeiten zur Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung Älterer in KMU, sollten Sie einen Ausblick geben auf die Entwicklungsmöglichkeiten Uns interessiert auch, was die Bundesagentur für Arbeit für Möglichkeiten hat. Und sehen Sie für die Zukunft ein Modell darin, dass KMU in Fragen der Weiterbildung Älterer ggf. stärker mit größeren Unternehmen und Betrieben, ggf. unter Einbezug von (externen und regionalen) Weiterbildungsträgern und -anbietern im Verbund adressatenspezifische und passgenaue Angebote praktizieren?

Lutz Bellmann: Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung Älterer ist sicher in der Intensivierung von Informations- und Beratungsleistungen zu sehen. Gerade kleine und mittlere Betriebe haben oft nur eine unzureichende Markttransparenz und unvollständige Informationen über Angebote und Nutzen der Weiterbildung. Derartige Leistungen können etwa in Form von Weiterbildungsverbünden erbracht werden, in denen z.B. mehrere Betriebe und Weiterbildungsträger zusammengefasst sind. Kommt es zu derartigen Kooperationen im Bereich der Weiterbildung, so dürfte auch die Wahrscheinlichkeit steigen, dass passgenauere Maßnahmen angeboten werden. Ebenso kann sich in diesem Fall auch das Angebot eigener Maßnahmen eher lohnen.

Als weiterer Ansatzpunkt sind natürlich auch finanzielle Anreize zu nennen. In diesem Zusammenhang sei das von der Bundesagentur für Arbeit (BA) geförderte Programm WeGebAU (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen) genannt, das speziell an den hier betrachteten Zielgruppen - Ältere und KMU - ansetzt.

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Zum weiterlesen ....

Bellmann, Lutz/Leber, Ute: Weiterbildung für Ältere in KMU, in: Sozialer Fortschritt, 2/2008, S. 43 - 48.
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Zur Person der Interviewpartner ..

Privatdozent Dr. Lutz Bellmann, geb. 1956, wuchs in der Nähe von Hamburg auf, erlangte 1975 an der Schiller-Schule in Hannover sein Abitur. Nach der Zeit bei der Bundeswehr studierte er an der Universität Hannover Wirtschaftswissenschaften. Am Institut für Quantitative Wirtschaftsforschung war er anschließend 7 Jahre lang tätig. Während dieser Zeit promoviert er über ein arbeitsökonomisches Thema. 1988 wechselte er an das IAB nach Nürnberg. Nach verschiedenen Stationen übernahm er dort die Leitung des IAB-Betriebspanels (1997) und später (seit 2000) die Leitung des Forschungsbereichs „Betriebe und Beschäftigung".

Er führte gemeinsame Forschungsprojekte u.a. mit den amerikanischen National Bureau of Economic Research, der London School of Economics and Political Science und der Europäischen Kommission durch. Die Hans-Böckler-Stiftung finanzierte seine Forschungsprojekte u.a. zu Themen wie „Leiharbeit" und „Ältere Arbeitnehmer im Betrieb". Er ist Mitglied verschiedener Beiräte, u.a. des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Früherkennung von Qualifikationsbedarfen und des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) des DGB zur Befragung von Betriebs- und Personalräten, nimmt aktuell Lehraufträge an den Universitäten Basel, Tübingen und Erlangen-Nürnberg wahr und ist Research Fellow des Instituts Zukunft der Arbeit (Bonn).

Die Habilitation erfolgte 2003 in Hannover im Fach „Volkswirtschaftslehre". Anfang des Jahres erhielt er einen Ruf auf einen Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Arbeitsökonomie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Forschungsinteressen sind die Arbeits- und Bildungsökonomik, mikroökonometrische Methoden und die betriebliche Arbeitsmarktforschung mit einem Schwerpunkt bei der Untersuchung der industriellen Beziehungen, atypische Beschäftigungsverhältnisse sowie der betrieblichen Aus- und Weiterbildung.

Dr. Ute Leber, geb. 1972, studierte von 1992 bis 1998 Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg. Nach ihrem Abschluss war sie zunächst wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft und promovierte über das Thema Zuwanderung und Sozialversicherung. Seit 1999 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich Betriebe und Beschäftigung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Themen Weiterbildung, Fachkräftebedarf und ältere Arbeitnehmer.


Quelle: Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von WAP, Homepage der IG Metall


Schlagworte zu diesem Beitrag: Ältere Beschäftigte, Betriebliche Weiterbildung, Hochschulen
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 14.04.2009