Aktuelle Nachrichten

Zurück zur Übersicht

Weiterbildung in Gefahr

Die Corona-Pandemie bedeutet für alle eine große Herausforderung. Es gilt jetzt, die Krise gemeinsam zu bewältigen und niemanden zurückzulassen. Das betrifft auch die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Forschung. Die aktuelle Unsicherheit wird noch dadurch verschärft, dass in den vergangenen Jahren die prekäre Beschäftigung stetig ausgeweitet und eine verlässliche Finanzierung von Weiterbildungsangeboten und Hochschulen sukzessive abgebaut wurden. ver.di fordert, in dieser Krise Sofortmaßnahmen einzuleiten, damit Beschäftigte, Studierende und zu qualifizierende Erwerbslose abgesichert werden und die Leistungsfähigkeit der Einrichtungen erhalten bleibt.

Im Bereich der Weiterbildung herrschte schon vor der Corona-Pandemie enormer Druck. Ein ruinöser Preiswettbewerb unter den rund 3.000 Trägern sowie eine zum Teil unzureichende Finanzierung haben zu Niedriglöhnen, ungesicherter Beschäftigung und Qualitätsverlusten geführt. In der akuten Krise droht dieses System vollends zu kollabieren. Dabei braucht es gerade jetzt und zur Bewältigung der anstehenden Herausforderungen qualitativ hochwertige und auskömmlich finanzierte Weiterbildungsangebote.

Denn der Einbruch in weiten Teilen der Wirtschaft wird viele tausend Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Stelle kosten. Hinzu kommen strukturelle Umbrüche und die Digitalisierung. Qualifizierung ist darauf eine der zentralen Antworten. Erwerbslose, aber auch Beschäftigte, deren Jobs bedroht sind, müssen die Chance haben, sich für andere Tätigkeiten zu qualifizieren. Daher ist auch die Weiterbildung »systemrelevant«. Der Gesetzgeber und die Bundesagentur für Arbeit sind gefordert, Einrichtungen und Beschäftigte abzusichern.

Die ersten Opfer der Krise sind die vielen Honorarkräfte, die schon vor der Pandemie prekär und unterbezahlt waren. Der allgemeinverbindliche Branchenmindestlohn gilt für sie nicht. Viele verdienen nur halb so viel wie das fest angestellte pädagogische Personal. Und als Präsenzveranstaltungen Mitte März untersagt wurden, waren sie die ersten, die gehen mussten. Doch auch die regulär Angestellten und die Einrichtungen selbst sind in einer schwierigen Situation. Wenn die politisch Verantwortlichen nicht handeln, sind etliche Arbeitsplätze und Weiterbildungsmöglichkeiten in Gefahr.

Weiterbetrieb ermöglichen

Die Weiterbildungsträger und ihre Beschäftigten setzen alles daran, die Angebote in alternativer Form aufrechtzuerhalten. Daran ist auch die Finanzierung durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) geknüpft. Sie muss für alle Maßnahmen gesichert sein, auch wenn diese teilweise wieder auf Präsenzveranstaltungen umgestellt werden. Um die Gesundheit der Beschäftigten und Teilnehmer*innen zu garantieren, müssen schlüssige Konzepte zur Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln entwickelt werden. Anders als an Schulen ist hier bislang nicht allzu viel geschehen.

Schon aufgrund der Räumlichkeiten ist klar, dass die Kurse nicht mit der gleichen Teilnehmerzahl durchgeführt werden können wie zuvor. Die BA muss ihre Regeln entsprechend anpassen und auch kleinere Kurse auskömmlich finanzieren. Die sukzessive Umstellung auf Präsenzveranstaltungen darf nicht dazu führen, dass Beschäftigte aus Risikogruppen ausgeschlossen werden. Es wäre untragbar, wenn befristete Verträge besonders gefährdeter Menschen nicht verlängert würden. Stattdessen müssen ihnen alternative Einsatzmöglichkeiten angeboten werden. Ohnehin werden die Träger auf absehbare Zeit neben Präsenzveranstaltungen digitale Formen und Phasen des Homeschooling anbieten müssen. Das bietet die Chance, die betreffenden Kolleginnen und Kollegen weiter einzusetzen.

Entscheidend ist allerdings, dass die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter die Beratung und Vermittlung von Teilnehmer*innen an Maßnahmen der Weiterbildung unmittelbar wieder aufnehmen. Dies ist nahezu vollständig zum Erliegen gekommen, weil BA-Beschäftigte stattdessen zur Bearbeitung von Anträgen auf Kurzarbeit eingesetzt werden. Die Zuweisung von Teilnehmer*innen an Weiterbildungseinrichtungen muss dringend wieder erfolgen, um den Bestand der Weiterbildungsträger nicht zu gefährden.

Einrichtungen absichern

Angesicht der in vielen Wirtschaftsbereichen anstehenden Transformation hat die Weiterbildung eine hohe gesellschaftliche Bedeutung. Die Große Koalition hat das erkannt und die Weiterbildung mit dem Qualifzierungschancengesetz und dem Arbeit-von-morgen-Gesetz gestärkt. Sie soll dazu beitragen, Erwerbslosigkeit zu vermeiden. Der Erhalt der Weiterbildungsträger ist dafür die Voraussetzung. Das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG), das Träger in der aktuellen Krise schützen soll und unter das auch die berufliche Aus- und Weiterbildung fällt, ist hierfür unzureichend. Denn es werden nur 75 Prozent der bisherigen Kosten übernommen. Das ist für die Einrichtungen, die meist kaum über Rücklagen verfügen, in der Regel nicht tragbar. Es braucht eine finanzielle Absicherung, damit leistungsfähige und gesellschaftlich benötigte Weiterbildungsangebote weiterhin erbracht werden können. Für die Entwicklung alternativer Angebote und perspektivisch die Durchführung von Präsenzveranstaltungen unter den Bedingungen der Pandemie werden die Kompetenz und das Engagement aller Kolleginnen und Kollegen gebraucht. Kurzarbeit sollte daher wann immer möglich vermieden werden. Wenn das in Einzelfällen nicht geht, muss das Kurzarbeitergeld aufgestockt werden. Das gilt insbesondere für die nicht-pädagogischen Angestellten in der Weiterbildung, die oftmals auf dem Niveau des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns bezahlt werden. Ohne Aufstockung müssten viele Kolleg*innen Arbeitslosengeld II beantragen.

Umsteuern!

Die aktuelle Krise macht die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre offensichtlich. Trotz ihrer großen Bedeutung und ihrer hoch qualifizierten Beschäftigten ist die Weiterbildung durch prekäre und extrem schlecht entlohnte Arbeit geprägt. Nur in einem Bruchteil der Einrichtungen gelten Tarifverträge. Beim branchenweiten Mindestlohn sind nicht-pädagogisches Personal und Honorarkräfte außen vor. Insbesondere kommerzielle Anbieter führen einen ruinösen Wettbewerb auf Kosten der Beschäftigten und der Qualität. Die Krise ist Anlass genug, endlich umzusteuern. Bei Ausschreibungen und Bildungsgutscheinen dürfen nicht mehr allein die Kosten zählen. Stattdessen müssen künftig soziale und qualitative Kriterien entscheidend sein – inklusive der Einhaltung von Tarifverträgen.

Die staatlichen Reaktionen auf die Pandemie zeigen, was möglich ist. Es werden Milliardenbeträge mobilisiert, um die Folgen der Krise zu bewältigen. Die Weiterentwicklung eines leistungsfähigen Bildungs- und Wissenschaftssystems, das auskömmlich finanziert wird, muss auf der politischen Agenda bleiben. Denn wissenschaftlicher Fortschritt, Forschung sowie qualitativ hochwertige und umfassende hochschulische und berufliche Qualifikationen werden noch bedeutsamer. Um die Zukunft nach der Krise zu gestalten, müssen jetzt die richtigen Weichen gestellt werden. Dafür wird ver.di weiter mit aller Kraft streiten. Mach mit!


Quelle: Information zur Weiterbildung des Fachbereichs Bildung, Wissenschaft und Forschung in ver.di, Mai 2020


Verweise zu diesem Artikel:
Schlagworte zu diesem Beitrag: Weiterbildung, Öffentliche Beschäftigungspolitik, Freiberufler/Selbstständige
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 29.05.2020